Stefan Ziller

GRÜN für Marzahn, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Hellersdorf

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Abschied vom berlinpass – Neuer Berechtigungsnachweis kommt automatisch

Der bisherige berlinpass wird abgeschafft und durch einen neuen automatischen Berechtigungsnachweis von den jeweils zuständigen Leistungsstellen ersetzt. Dies geht aus der Antwort des Senats auf eine schriftliche Anfrage hervor (Drucksache 19/10398). Demnach wird eine persönliche Vorsprache mit der Umstellung des Verfahrens der Ausgabe eines Berechtigungsnachweises zum 1. Juli 2022 von Amts wegen durch die jeweils zuständigen Leistungsstellen nicht mehr erforderlich sein. Das neue Verfahren wird aktuell technisch und organisatorisch dahingehend vorbereitet, dass alle anspruchsberechtigten Personen rechtzeitig vor dem 1. Juli 2022 im Besitz des neuen Berechtigungsnachweises sind.

Alle anspruchsberechtigten Personen erhalten von den zuständigen Leistungsstellen zusammen mit ihrem ersten Berechtigungsnachweis einen Informationsbrief, in dem das neue Verfahren hinreichend erläutert wird. Darüber hinaus geben die Berliner Bürgerämter schon jetzt eine Kurzinformation an die anspruchsberechtigten Personen aus, die dort einen berlinpass beantragen. Der berlinpass wird nur noch befristet bis zum 30. Juni 2022 ausgegeben. Zeitnah wird eine zusätzliche Information über eine entsprechende Pressemitteilung erfolgen und auch die Internetseiten, die über den berlinpass informieren, werden entsprechend angepasst.

1. Aus welchem Grund wird der berlinpass, welcher bisher für volljährige Leistungsberechtigte in den Berliner Bürgerämtern ausgegeben wurde, abgeschafft und ein neuer Berechtigungsnachweis, welcher dann durch die jeweiligen Leistungsstellen ausgestellt werden soll, eingeführt?

Ausgangspunkt für die Umstellung des Verfahrens war der Beschluss des Rats der Bürgermeister vom 23. Juli 2020 – Nr. R-880/2020 – mit dem die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales aufgefordert wurde, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der berlinpass zukünftig von der leistungsgewährenden Stelle im Zuge einer einheitlichen Bescheiderteilung automatisch als Teil der jeweiligen IT-Fachverfahren erfolgen soll.

Die für eine veränderte Zuständigkeit notwendigen Voraussetzungen stellten sich damit wie folgt dar:

  • Leistungen aus einer Hand (Vermeidung zusätzlicher Wege zum Erhalt des neuen Berechtigungsnachweises),
  • Ausgabe des Berechtigungsnachweises von Amts wegen an alle anspruchsberechtigten Personen ohne persönliche Vorsprache bei der zuständigen Leistungsstelle,
  • weitgehende Nutzung der eingesetzten IT-Fachverfahren zur Erzeugung des Berechtigungsnachweises,
  • Erstellung eines einheitlichen stigmatisierungsfreien Dokuments durch die Leistungsstellen,
  • automatischer Versand des Berechtigungsnachweises zusammen mit dem Leistungsbescheid.

Eine „1 zu 1-Übertragung“ der Aufgabe an die Leistungsstellen, also die händische Ausstellung des berlinpass als Pappkarte inklusive aufzubringendem Passfoto sowie die persönliche Vorsprache in den Leistungsstellen war vor diesem Hintergrund der zuvor genannten Parameter nicht mehr möglich, zumal der damit einhergehende Zeit- und Personalaufwand ohne tatsächliche Verbesserung des Prozesses in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen gestanden hätte. Das seit dem 1. Januar 2009 durchgeführte Verfahren der Ausstellung und Ausgabe des berlinpass durch die Bürgerämter von Berlin sollte zum einen Stigmatisierungen in Bezug auf den zu erkennenden Leistungsanspruch vermeiden und zum anderen einen schnellen und einfachen Zugang zum berlinpass ermöglichen. Die Praxis der letzten Jahre (händisches Befüllen des berlinpass, persönliche Vorsprache beim Bürgeramt) sowie auch die fortbestehende Corona-bedingte besondere Situation haben jedoch deutlich gemacht, dass es insbesondere in Bezug auf die Sicherstellung der Mobilität der anspruchsberechtigten Personen eines neuen Verfahrens unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten bedarf.

2. Ist mit der Umstellung zum 1. Juni 2022 gewährleistet, dass die Versendung der Berechtigungsnachweise zentral und automatisch erfolgen kann, so dass eine erneute Vorsprache bei den jeweiligen Leistungsstellen für die volljährigen Leistungsberechtigten entfällt?

Mit der Umstellung des Verfahrens der Ausgabe eines Berechtigungsnachweises zum 1. Juli 2022 von Amts wegen durch die jeweils zuständigen Leistungsstellen wird eine persönliche Vorsprache nicht erforderlich sein. Das neue Verfahren wird aktuell technisch und organisatorisch dahingehend vorbereitet, dass alle anspruchsberechtigten Personen rechtzeitig vor dem 1. Juli 2022 im Besitz des neuen Berechtigungsnachweises sind. Grundsätzlich kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es im Einzelfall auch mal zu Verzögerungen kommen kann.

3. Inwiefern sind die Berliner Jobcenter sowie die Berliner Sozialämter auf die neue Aufgabe vorbereitet bzw. welche Vorbereitungen müssen noch getroffen werden, damit die Umstellung im Sinne Mitarbeiter*innen und der Kund*innen bzw. Leistungsberechtigten reibungslos verläuft?

Die Berliner Jobcenter, die Sozialämter sowie die anderen Leistungsstellen sind von Beginn an eng in den Umstellungsprozess eingebunden. Im Rahmen unterschiedlicher Arbeitsgruppen werden mit Unterstützung von Praktikern vor Ort die einzelnen für die Umsetzung erforderlichen Arbeitsschritte in die Leistungsgewährungsprozesse integriert. Dies betrifft sowohl die technische als auch die händische Umsetzung. Sofern gesonderte Eingabemasken für die Erstellung des Berechtigungsnachweises erforderlich sind, werden diese entsprechend programmiert. Ferner werden der Berechtigungsnachweis sowie ein Informationsschreiben als Dokument in den jeweiligen IT-Fachverfahren hinterlegt und nutzbar gemacht.

Für den Rechtskreis SGB II bedarf es darüber hinaus eines Abschlusses einer Kooperationsvereinbarung zwischen den einzelnen Jobcentern und den Bezirken sowie im Anschluss daran eines Beschlusses der jeweiligen Trägerversammlung. Beides wird derzeit zusammen mit den Jobcentern und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg vorbereitet.

4. Wann werden die Kund*innen und Leistungsberechtigten über die neue Zuständigkeit informiert? Wie erfolgt diese Information?

Alle anspruchsberechtigten Personen erhalten von den zuständigen Leistungsstellen zusammen mit ihrem ersten Berechtigungsnachweis einen Informationsbrief, in dem das neue Verfahren hinreichend erläutert wird. Darüber hinaus geben die Berliner Bürgerämter schon jetzt eine Kurzinformation an die anspruchsberechtigten Personen aus, die dort einen berlinpass beantragen. Der berlinpass wird nur noch befristet bis zum 30. Juni 2022 ausgegeben. Zeitnah wird eine zusätzliche Information über eine entsprechende Pressemitteilung erfolgen und auch die Internetseiten, die über den berlinpass informieren, werden entsprechend angepasst.

5. Mit welchem zusätzlichen Personalaufwand ist bei den Leistungsstellen zu rechnen?

Der personelle Mehraufwand in den jeweiligen Leistungsstellen gestaltet sich je nach Umsetzung des Verfahrens sehr unterschiedlich. Die Wohngeldstellen, das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, das Landesamt für Gesundheit und Soziales sowie die Justizvollzugsanstalten haben keinen personellen Mehraufwand geltend gemacht. Die Jobcenter haben auf der Grundlage der skizzierten Prozesse einen personellen Mehraufwand in Höhe von rd. 825.307 Euro jährlich geltend gemacht. Die Bezirke – Geschäftsbereich Soziales – haben für das Jahr 2022 einen personellen Mehraufwand von insgesamt 289.581 Euro bei 5,72 Vollzeitäquivalenten der Vergütungsgruppe E 9b/Besoldungsgruppe A 10 sowie beginnend ab dem Jahr 2023 einen personellen Mehraufwand von insgesamt 159.814 Euro bei 3,22 Vollzeitäquivalenten der Vergütungsgruppe E 9b/Besoldungsgruppe A 10 gemeldet. Bei einem zeitlichen Mehraufwand von 542,95 Stunden werden unter Ansatz der Vergütungsgruppe E 9b TV-L beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und 0,33 gemeldeten Vollzeitäquivalenten Kosten in Höhe von 16.316 Euro (30,05 Euro/Stunde) veranschlagt.

6. Wie viele Vorsprachen bzw. Termine gab es in 2020 und 2021 bei den Berliner Bürgerämtern, bei denen die Verlängerung des berlinpasses im Mittelpunkt stand? Wie groß ist die voraussichtliche Entlastung der Berliner Bürgerämter durch die Umstellung der Zuständigkeit?

Nach Ausbruch der Pandemie wurde als Reaktion auf die eingeschränkten Möglichkeiten der Kundenbedienung die Ausstellung bzw. Verlängerung des berlinpasses zunächst ausgesetzt und ab März 2021 auf ein schriftliches Verfahren umgestellt. Währenddessen konnten Kundinnen und Kunden Vergünstigungen auf Basis des Leistungsbescheides in Anspruch nehmen. Gleichwohl wurden berlinpässe in den Bürgerämtern ausgestellt, sofern die Kundinnen und Kunden wegen anderer Dienstleistungen einen Termin hatten. Demzufolge sind die Zahlen 2020 und 2021 nicht repräsentativ. Zudem wird bei der Bearbeitung eines berlinpass-Antrags statistisch nicht zwischen Verlängerung und Neuausstellung unterschieden.

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 91.156 und im Jahr 2021 (Stand Oktober) 80.727 berlinpässe ausgestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es 380.573. Im langjährigen Mittel verzeichnen die Bürgerämter im Schnitt monatlich ca. 30.000 berlinpass-Ausstellungen. In dieser Größenordnung bewegt sich auch die Entlastung der Bürgerämter bei Umstellung der Zuständigkeit.

4 Gedanken zu „Abschied vom berlinpass – Neuer Berechtigungsnachweis kommt automatisch

  • O. Bethge

    Guten Tag,
    ich bin nach dem SGB XII (Sozialhilfe) anspruchsberechtigt, beziehe die Leistung jedoch außerhalb des Landes Berlin, da ich vor einem Jahr umgezogen bin. Auch ist Berlin mein alleiniger Wohnsitz. Somit gibt es für mich keine Leistungsstelle in Berlin, und zwar solange wie meine Leistung nach dem SGB IX (Eingliederungshilfe) nicht für mindestens sechs Monate am Stück unterbrochen ist gem. §98 Abs. 1 SGB IX i.V.m. §98 Abs. 1 und 6. Da das Landesrecht hier keine abweichende Regelung trifft, ist daher Berlin für mich örtlich nicht zuständig. Eine entsprechende Regelung für meine Fallkonstellation konnte ich nach stundenlanger Recherchearbeit nicht finden. Nun stellt sich für mich die Frage, wie der Berechtigungsnachweis für mich ausgestellt werden kann, wenn ich von Berlin keinen Leistungsbescheid erhalte, sondern von einem anderen Bundesland?
    Im Jahr 2021 hatte ich noch die Möglichkeit die erforderlichen Unterlagen zur Beantragung des Berlinpasses beim Bezirksamt abzugeben nachdem ich mich endlich ummelden konnte, solange war es mir nicht möglich bspw. das Berlin-Ticket S zu lösen und hatte deshalb anfangs eine normale Monatskarte gelöst, was für mich unverhältnismäßig teuer war. Nun befürchte ich ab Anfang nächsten Jahres, aufgrund des Zuständigkeitsdilemmas, nicht mehr im Besitz eines gültigen Anspruchnachweises zu sein, was für mich fatal wäre, da ich mir das normale Monatsticket – auch im Abonnement – nicht leisten kann. Jedoch bin ich von der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs abhängig, da ich sehr regelmäßig weite Strecken zurücklegen muss, um nicht isoliert zu sein.
    Über eine hilfreiche Antwort auf diesen Sachverhalt wäre ich recht dankbar.

  • O. Bethge

    Sehr geehrter Herr Ziller,
    ich habe mich bzgl. der Erlangung eines Berechtigungsnachweises intensiv kundig gemacht für Sozialhilfebeziehende, die die Leistung von einem anderen Bundesland erhalten. Laut aktueller Information des Senats für Integration, Arbeit und Soziales, ist die Zuständigkeit zur Ausstellung des Berechtigungnachweises für Personen, die in Einrichtungen leben zwar geklärt, jedoch nicht für Beziehende von Sozialhilfe von einem anderen BL, die selbständig – ohne Einrichtung – eine Unterkunft in Berlin angemietet haben. Dann nur weil eine Person Eingliederungshilfe in Anspruch nimmt, muss diese nicht zwangsläufig in einer sogn. “besonderen Wohnform” wohnen. Dieser Fall trifft bei mir zu, sodass ich immer noch nicht weiß welche Behörde für mich zuständig ist. Auch hat sich meine Assistenz schon darum gekümmert ohne endgültige Lösung.

    Laut Webseite des Senates erteilt nur die jeweils zuständige Behörde Auskunft, doch genau dies ist ungeklärt. Daher kann ich bis heute keinen Berechtigungsnachweis beantragen, auch weiß ich nicht welche Stelle mir Auskunft geben kann / darf. Ich hoffe, dass diese noch offene Regellücke im Januar geschlossen wird, sonst kann ich nicht die VBB-Kundenkarte beantragen und fahre weiter ohne mit dem ÖPNV.

    Spätestens zum Ende März läuft die Übergangslösung aus und die Beantragung der VBB-Kundenkarte kann bis zu einen halben Monat dauern. Auch ist weit bekannt, falls die Zuständigkeit doch im Bezirk liegen sollte – in meinem Fall Lichtenberg – die Verwaltung im Vergleich zu allen anderen Bezirken bisher generell wie bspw. für die Ausstellung eines Wohnberechtigungsnachweises sehr lange benötigt (bis zu mehrere Monate ggü. anderen Bezirken wenige Wochen). Aus diesem Grund möchte ich die Zuständigkeit noch bis Mitte Januar 2023 geklärt haben. Andernfalls sehe ich mich genötigt andere Schritte in die Wege zu leiten, weil ich bin auf Vergünstigungen angewiesen.

    Eine Petition scheidet für mich aus, denn diese garantiert auch keine Regellückenschließung.

    Mit freundlichen Grüßen

    O. Bethge

  • Stefan

    Sehr geehrter Herr Bethge,

    Sie müssen das für sich entscheiden. Nach ihrer Schilderung, wäre eine Petition ein guter Weg die Regelungslücke im konkreten aber auch grundsätzlich zu schließen. Und vor allem eine Stelle zu finden, die ihnen Auskunft geben kann. Bis Mitte Januar wird es vermutlich keinen Vorgang geben, ein Landes- oder Bundesgesetz in der Sache zu ändern. Alles andere ist dann Verwaltungshandeln, für das der Petitionsausschuss zuständig ist. Leider ist die Zeit für eine Petition inzwischen recht knapp. Aber wie gesagt, am Ende liegt die Entscheidung bei Ihnen.

    viele Grüße
    Stefan Ziller

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