Einfach zu lang: 14 Wochen Warten aufs Wohngeld
Wer in Berlin auf Wohngeld angewiesen ist, braucht vor allem eines: Geduld. Im Durchschnitt warten Antragsteller 14 Wochen auf ihr Wohngeld. Vierzehn Wochen, in denen Menschen nicht wissen, ob sie ihre Miete zahlen können. Dieses ernüchternde Ergebnis zeigt eine aktuelle schriftliche Anfrage, die ich mit meiner Kollegin Katrin Schmidberger gestellt habe (Drucksache 19/22668). Das Beispiel Wohngeld zeigt auch, dass Digitalisierung allein nicht hilft. Denn Wohngeld lässt sich online beantragen – immerhin nutzen etwa ein Drittel aller Antragsteller diese Möglichkeit. Dabei werden die Online-Anträge durch eine aufwendige Middleware-Architektur geschleust, transformiert und in digitale Postfächer weitergeleitet. Doch am Ende steht der analoge Flaschenhals: Sachbearbeiter*innen müssen jeden Antrag manuell prüfen und per „Übernahme-Button“ ins System einpflegen. Und solange zu viele Stellen unbesetzt sind, hilft auch eine digitale Antragstellung nicht. Der Senat muss sich aktiv um die Stellenbesetzung in den wichtigen Ämtern kümmern. Eine zentrale Personalgewinnung ist überfällig.
Das zweite Problem ist die Vielzahl von Nachweisen die ein Antrag benötigt. Da sämtliche weitere Kommunikation – fehlende Dokumente, Nachfragen, Bescheide – über den Postweg läuft, ist das ganze doch zeitaufwendig. Ob das in jedem Fall sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Der Senat verspricht Besserung durch Künstliche Intelligenz. Eine Machbarkeitsstudie unter dem Titel „Formulare überwinden“ soll prüfen, ob KI die Antragsstellung vereinfachen kann.
Am Geld kann es nicht liegen: „Eine elektronische Zustellung von Bescheiden und sonstigen Schreiben würde die Kosten der Nutzung der Druckstrasse unter der Annahme, dass sich 70 % der online-Beantragenden bei BundID registrieren (nur über Elsterzertifikat oder eID möglich), um rd. 150.000 € jährlich senken“. Auch hier ist der Arbeitsauftrag an den Senat klar.
Frage 1: Wie viele Wohngeldanträge wurden seit dem 1. Juni 2024 bis zum 30. April 2025 in den einzelnen Berliner Bezirken gestellt, wie viele davon wurden bewilligt, abgelehnt oder sind noch in Bearbeitung (Bitte tabellarische Darstellung nach Monaten)?
Die Anzahl der im Wohngeldfachverfahren im erfragten Zeitraum erfassten Wohngeldanträge, die Zahl der bewilligten und abgelehnten Anträge sowie die Zahl der jeweils am Monatsende noch anhängigen Anträge können nachstehender Tabelle entnommen werden: » Tabelle in Drucksache 19/22668
Frage 2: Wie hoch ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Wohngeldanträgen in den einzelnen Bezirken im benannten Zeitraum (Bitte tabellarische Darstellung nach Monaten)?
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Wohngeldanträgen in Wochen kann nachstehender Tabelle entnommen werden.
Bezirk Duchrschnittliche Bearbeitungszeiten nach Monaten Angaben in Wochen Jun 24 Jul 24 Aug 24 Sep 24 Okt 24 Nov 24 Dez 24 Jan 25 Feb 25 Mrz 25 Apr 25 Mitte 19 18 15 15 14 12 11 12 12 11 13 Friedrichshain-Kreuzberg 25 24 23 24 21 23 21 22 24 24 23 Pankow 11 11 14 10 10 11 11 10 11 13 12 Charlottenburg-Wilmersdorf 19 15 13 17 15 17 15 14 19 18 19 Spandau 18 13 15 14 16 13 11 11 11 12 10 Steglitz-Zehlendorf 23 22 17 19 18 18 18 16 18 18 18 Tempelhof-Schöneberg 10 11 8 8 9 8 9 9 10 9 10 Neukölln 14 19 10 10 10 10 9 11 10 11 11 Treptow-Köpenick 12 11 9 10 9 8 6 8 7 8 9 Marzahn-Hellersdorf 12 12 9 10 11 11 9 10 10 11 11 Lichtenberg 14 20 14 16 14 16 17 17 17 18 19 Reinickendorf 8 8 7 7 8 8 7 8 7 9 9 Berlin insgesamt 16 14 13 13 13 13 12 12 13 14 14 Frage 3: Welche Maßnahmen wurden seit Mai 2024 ergriffen, um die Bearbeitungszeiten von Wohngeldanträgen zu verkürzen, und welche Auswirkungen hatten diese Maßnahmen bisher?
Die Antworten der Bezirke können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: » Tabelle in Drucksache 19/22668
Frage 4: Wie viele zusätzliche Stellen wurden seit Mai 2024 in den Bezirken zur Bearbeitung von Wohngeldanträgen geschaffen, und wie viele davon sind derzeit besetzt (Bitte einzeln nach Bezirken auflisten)?
Die Antworten der Bezirke können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: » Tabelle in Drucksache 19/22668
Frage 5: Welche Fortschritte wurden bei der Digitalisierung des Wohngeldantragsverfahrens seit Mai 2024 erzielt, insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Online-Antragsverfahrens und der Integration in die Verwaltungsabläufe?
Der Anteil von Online gestellten Anträgen liegt im gesamten Betrachtungszeitraum bei rund einem Drittel aller gestellten Anträge. Die monatliche Schwankungsbreite liegt zwischen 28,8 % und 36,8 %.
Mit Produktivnahme des Wohngeld-Online-Antrages ist dieser auch in die Verwaltungsabläufe in den bezirklichen Wohnungsämtern integriert. Mit der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen eingesetzten Middleware werden Online-Anträge in regelmäßigen Abständen aus dem virtuellen Postfach des Basisdienst Digitaler Antrag (BDA) abgeholt, in den für das Fachverfahren benötigten Datensatz transformiert und an das Eingangspostfach im Fachverfahren des zuständigen Bezirks weitergeleitet. Im Eingangspostfach des Fachverfahrens werden die Anträge vorgeprüft und anschließend über einen „Übernahme- Button“ in das Fachverfahren übernommen, so dass alle Antragsdaten und Nachweise im Fachverfahren vorliegen und dort weiterbearbeitet werden.
Frage 6: Welche Unterschiede bestehen aktuell zwischen den Bezirken hinsichtlich der Bearbeitungszeiten (Bitte einzeln und wie erklärt der Senat diese Unterschiede?
Die Unterschiede zwischen den Bezirken hinsichtlich der Bearbeitungszeiten können der Antwort auf Frage 2 entnommen werden. Diese resultieren einerseits daraus, dass sich jedes Bezirksamt als Selbstverwaltungseinheit eigenständig organisiert. Dazu gehört die Organisation der Arbeitsabläufe wie Antragsbearbeitung, Zahlung des Wohngeldes, ggf. Widerspruchsbearbeitung ebenso wie die Schaffung der notwendigen personellen Voraussetzungen. Andererseits können diese Unterschiede auch mit der unterschiedlichen Zielgruppe und deren Einkommenssituationen in den Bezirken erklärt werden. So ist beispielweise bei Rentnern die Bearbeitung des Wohngeldantrags und der Weiterleitungsanträge eher unkompliziert, bei Selbstständigen ist die Bearbeitung aufwändiger und dauert deshalb auch länger. Die langen Bearbeitungszeiten sind auch ein Resultat daraus, dass das Wohngeldrecht im Vollzug kompliziert ist. Einerseits werden viele Nachweise von den antragstellenden Personen gefordert und andererseits ist eine große Bandbreite an Fachwissen und Erfahrung der Sachbearbeitenden nötig.
Frage 7: Welche weiteren Schritte plant der Senat, um die Bearbeitungszeiten von Wohngeldanträgen berlinweit zu reduzieren und eine einheitliche Bearbeitungsdauer zu gewährleisten?
Der Senat prüft derzeit intensiv einen möglichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Wohngeldverfahren. Die Überlegungen beinhalten die Entwicklung eines KI-basierten digitalen Assistenten, der die Sachbearbeitung in den Wohnungsämtern bei der Vollständigkeitsprüfung von digital eingereichten Wohngeldanträgen unterstützt. Ziel ist eine Entlastung der Sachbearbeitung und damit eine Reduzierung der durchschnittlichen Bearbeitungszeit für Wohngeldanträge im Land Berlin. Es bedarf außerdem einer massiven Vereinfachung des Wohngeldrechts, um die Bearbeitung zu beschleunigen. Der Senat setzt sich weiterhin für eine Vereinfachung des Wohngeldgesetzes ein.
Frage 8: Was plant der Senat zur Qualifizierung der Antragstellung über den Basisdienst „Digitaler Antrag“ konkret für die Leistung Wohngeld, um die Beantragung deutlich zu vereinfachen und mehr Menschen zu ermöglich die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten?
Der über den BDA bereitgestellte Online-Antrag für die Leistung Wohngeld wurde in Zusammenarbeit mit den Berliner Bezirken (Wohnungsämter) entwickelt und beinhaltet Fragen, die zur Bearbeitung und Entscheidung des Wohngeldantrages zwingend sind. Die Antragstellenden werden in Abhängigkeit ihrer Antworten durch den Online-Antrag geführt. Aus Fristwahrungsgründen wurde auf ein verpflichtendes Hochladen von Nachweisen verzichtet. Der Zugang zum Online-Antrag Wohngeld steht jedem Antragstellenden zur Verfügung, da eine Identifizierung und Authentifizierung für die Online-Antragstellung nicht notwendig ist. Neben diesem einfachen Zugangsweg stehen auch weiterhin die übrigen Zugangswege zur Verfügung, so dass alle Berechtigten, die auf Wohngeldleistungen angewiesen sind, diese auch beantragen können. Aufgrund des sehr komplexen Wohngeldrechts und dessen rechtlichen Prüfungsvorgaben ist eine Vereinfachung der Antragsstellung im Sinne z.B. einer Reduzierung auf die Angaben zum Einkommen, Miete und Haushaltsgröße derzeit nicht ausreichend. Vereinfachungen im Hinblick auf beizubringende Nachweise kann die Umsetzung des Registermodernisierungsgesetzes bringen. Grundsätzlich ergibt sich als Vorbedingung einer Vereinfachung des Online-Antrages (aber auch des weiterhin vorhandenen Papierantrages) eine Vereinfachung des Wohngeldrechts.
Frage 9: Wie bewertet der Senat Initiativen und StartUps die sich bemühen, mit einer innovativen Antragführung die Antragstellung für die Menschen in Berlin zu erleichtern?
Dem Senat sind Initiativen und StartUps hinsichtlich einer innovativen Antragsführung nicht bekannt, bzw. solche Initiativen und StartUps sind bisher diesbezüglich nicht an den Senat herangetreten.
Frage 10: Welche Schnittstellen die zwischen Basisdienst „Digitaler Antrag“ und Wohngeld-Fachverfahren werden eingesetzt und welche folgen dabei offenen Standards und existieren ggf. als Open Source-Software?
Die Schnittstelle des BDA ist universell ausgeprägt, d.h. nicht auf bestimmte fachliche Konstellationen, Anwendungsszenarien oder einzelne Fachverfahren bzw. IT-Systeme beschränkt und setzt vom IT-Planungsrat beschlossene Standards der Verwaltung ein. Die Schnittstelle des BDA umfasst drei Schichten:
- eine Transportschicht (XTA2 Standard), die festlegt, wie die gesicherte technische Kommunikation zwischen Fachverfahren durchgeführt wird,
- einen Transportcontainer (XStandard XFall 3.0.0), der die Inhaltsdaten bündelt bzw. umhüllt und mit antragsspezifischen Metadaten versieht und
- Inhaltsdaten, die den Antragsdaten in strukturierter Form (als PDF-Dokument für Anzeige,
Archivierung und Ausdruck sowie ggf. binäre Anlagen) durch einen Anwender hinzugefügt wurden (XÖV-Standards in Abhängigkeit der angebundenen Fachverfahren). Die Schnittstelle am Wohngeldfachverfahren (DIWO-Webservice), die die Anträge entgegennimmt, ist derzeit nur im Berliner Landesnetz zugänglich und basiert auf einer REST- Schnittstelle. Die Übertragung der Antragsdaten an die DiWo Webservice Schnittstelle erfolgt mittels XFall-Container-Umschlag (offener Standard; https://www.xrepository.de/details/urn:xoev-de:it-plr:standard:xfall-container). Open Source Software wird dabei nicht eingesetzt.
Frage 11: Welche Möglichkeiten sieht der Senat entsprechende Schnittstellen zu etablieren, die Initiativen und StartUps für eine innovative und ergänzende Antragstellung nutzen könnten und damit sowohl Menschen in Berlin bei der Antragstellung zu entlasten als auch die Mitarbeitende der Verwaltung durch vollständig ausgefüllte und vorgeprüfte Anträge?
Der Senat prüft im Rahmen einer Machbarkeitsstudie unter der Überschrift „Formulare überwinden“, ob mittels neuer Technologien (bspw. Künstliche Intelligenz) die Antragsstellung für Bürgerinnen und Bürger erleichtert werden kann. Gleichzeitig wird bei Nutzung solcher Technologien aufgrund der erwarteten Erhöhung der Antragsqualität von einer Entlastung der Verwaltungsmitarbeitenden ausgegangen. Um einen geeigneten Use-Case zu finden, gibt es Abstimmungen zwischen der Senatskanzlei und geeigneten Fachressorts. Grundsätzlich ist die eWohngeld-Schnittstelle auch für die Antragstellung durch Dritte, bspw. Apps, geeignet. Mit der heutigen Spezifikation müssten auch Drittanbieter schematisch korrekte Anträge anliefern. Dies bietet jedoch noch keinen Schutz vor Missbrauch durch Falscheingaben oder unbrauchbare Daten. Entsprechende Schutzmechanismen müssten – wie auch im BDA – auf Aufrufer-Seite implementiert werden. Bei Exposition der Schnittstelle im Internet müssten aber auch auf der Webservice-Seite weitere Sicherheitsmechanismen implementiert werden. Daraus resultierend wird ein umfängliches Sicherheitskonzept relevant (Anbindung direkt aus dem Internet, Schutz vor Missbrauch, Einhaltung von Richtlinien/BSI). Um eine Anbindung durch Drittanbieter sinnvoll zu ermöglich, müsste ein Support-/Anbindungsprozess entwickelt werden. Zudem müssten die verschiedenen Stages/Testumgebungen dafür ertüchtigt werden. In der Konsequenz würde sich die Entwicklungskomplexität bei der Schnittstelle erhöhen, wenn auch die Anforderungen externer Integratoren berücksichtigt werden müssten.