Berlin bleibt abhängig: nur jede 18 Vergabe ist Open-Source-Software
In den Sonntagsreden spricht der Senat und die Koalition immer wieder von digitaler Souveränität für die Berliner Verwaltung. Im letzten Jahr gab es sogar einen ersten Berliner Open Source Tag von Senatskanzlei und IHK Berlin. Doch in der Verwaltungspraxis bleibt davon nicht viel übrig. 23 Vergaben von Open-Source-Software stehen 413 Vergaben von proprietärer Software gegenüber. Das bedeutet, nur jede 18 Vergabe geht an eine Open-Source-Software! Der Senat stärkt damit die Abhängigkeit von teuren Lizenzmodellen, statt auf nachhaltige Open-Source-Modelle zu setzen (Drucksache 19/21578).
Warum ist das so? Der Senat sagt selbst: es gibt keine einheitlichen und verbindlichen Kriterien, um Open-Source-Lösungen zu vergeben. Es gibt auch keine landesweite Analyse, warum nicht mehr Open-Source-Lösungen den Zuschlag bei der Vergabe bekommen. Das ist zu wenig. Der Senat muss endlich den Sonntagsreden auch Taten folgen lassen und nachsteuern. Berlin braucht klare Vergabekriterien und Verfahren die Open-Source-Lösungen eine Chance geben.
Andernfalls bleibt Berlin weiter hinter Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Thüringen zurück. Schleswig-Holstein hat eine klare Open-Source-Strategie und setzt mit souveränen PC-Arbeitsplätzen auf funktionierende Open-Source-Lösungen wie Nextcloud oder LibreOffice.
1. Wie oft wurde bei Ausschreibungen der Berliner Landesverwaltung in den Jahren 2023 und 2024 erfolgreich Open-Source-Software beschafft? (Bitte nach Vergabestellen aufschlüsseln)
2. Wie oft wurde proprietäre Software in den Jahren 2023 und 2024 beschafft? (Bitte nach Vergabestellen aufschlüsseln)In den Jahren 2023 und 2024 wurden bei Ausschreibungen der Berliner Landesverwaltung 23-mal erfolgreich Open-Source-Anwendungen beschafft. Aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit werden die vergabestellen konkreten Angaben zu den Fragen 1 und 2 in der folgenden Tabelle dargestellt. Enthalten sind dabei Angaben von Behörden nach § 1 Abs. 2 EGovG Bln sowie Angaben des IT-Dienstleistungszentrums Berlin (ITDZ).
Frage 1: Frage 2: Wie oft wurde bei
Ausschreibungen der Berliner
Landesverwaltung in den Jahren
2023 und 2024 erfolgreich Open-
Source-Software beschafft?
(Bitte nach Vergabestellen
aufschlüsseln)Wie oft wurde proprietäre
Software in den Jahren 2023 und
2024 beschafft?
(Bitte nach Vergabestellen
aufschlüsseln)Vergabestelle Anzahl Vergabestelle Anzahl Senatskanzlei Zentrale Vergabestelle 1 Zentrale Vergabestelle 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport SenInnSport 0 SenInnSport 0 LABO 1 LABO 2 LEA 0 LEA 0 Polizei Berlin 1 Polizei Berlin 29 Berliner Feuerwehr* 0 Berliner Feuerwehr 0 Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz SenJustV 0 SenJustV 3 ZIT 0 ZIT 0 Kammergericht 0 0 Kammergericht 2 OVG Berlin-Brandenburg 0 OVG Berlin-Brandenburg 8 VG Berlin 0 VG Berlin 9 Sozialgericht 0 Sozialgericht 0 Generalstaatsanwaltschaft 0 Generalstaatsanwaltschaft 5 Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlicher SenKultGZ Stamm 0 SenKultGZ Stamm 0 0 Brücke Museum 0 Brücke Museum 1 1 Landesarchiv 0 Landesarchiv 0 Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege Zentraler Vergabeservice 0 Zentraler Vergabeservice 1 Z D – Infrastruktur 4 Z D – Infrastruktur 16 Sekretariat der Kultusministerkonferenz 0 Sekretariat der Kultusministerkonferenz 0 Vergabestelle-IB 0 Vergabestelle-IB 2 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Fehlanzeige 0 Fehlanzeige 0 Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung SenASGIVA 0 SenASGIVA 2 LAGeSo 0 LAGeSo 9 LAGetSi 0 LAGetSi 3 LAF 0 LAF 0 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen IT-Stelle SenStadt 0 IT-Stelle SenStadt 39 Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe SenWiEnBe 2 SenWiEnBe 1 Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg 0 Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg 5 Senatsverwaltung für Finanzen Landesfinanzservice 0 Landesfinanzservice 0 Technisches Finanzamt Berlin für STVW 0 Technisches Finanzamt Berlin für STVW 169 Landesverwaltungsamt 0 Landesverwaltungsamt 0 Technisches Finanzamt Berlin für SenFin 0 Technisches Finanzamt Berlin für SenFin 29 LfG 0 LfG 0 Verwaltungsakademie Berlin 0 Verwaltungsakademie Berlin 22 Bezirksamt Mitte 0 0 Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg 0 5 Bezirksamt Pankow 0 0 Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf 0 0 Bezirksamt Spandau 0 0 Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf 0 0 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg 0 FB IuK-Management 13 Bezirksamt Neukölln 0 1 Bezirksamt Treptow-Köpenick 0 0 Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf 0 0 Bezirksamt Lichtenberg 0 5 Bezirksamt Reinickendorf 0 1 ITDZ ITDZ Berlin 2 ITDZ Berlin 16 Berlin Online 12 BerlinOnline 12 Gesamt 23 413 Berliner Feuerwehr*: Die genaue Anzahl der beschafften proprietären Software in 2023
und 2024 konnte aufgrund der Vielzahl an Beschaffungsvorgängen in der kurzen
Antwortfrist nicht bestimmt werden.3. Laut IKT-Architektur des Landes Berlin muss die Nicht-Beschaffung von Open-Source-Anwendungen bei Vorliegen einer Open-Source-Alternative begründet werden. Wer ist für die Auswertung dieser Begründungen zuständig und liegt eine Analyse der Gründe vor?
4. Welche Kriterien werden in Ausschreibungen herangezogen, um Open-Source-Lösungen systematisch zu priorisieren?
Gemäß § 20 Abs. 3 EGovG Bln wird der Einsatz von IT-Fachverfahren von den fachlich zuständigen Behörden verantwortet. Dies schließt die Verantwortung für die Beschaffung sowie die Beachtung der Vorgaben der IKT-Architektur nebst Begründung der Nicht-Beschaffung von Open Source Anwendungen bei Vorliegen einer Open-Source- Alternative ein.
Im September 2024 wurden die Kapazitäten des 2023 eröffneten Open Source Kompetenzzentrums Berlin für die Beratung von Behörden zur Vergabe von Open Source ausgebaut. Die Behörden des Landes können sich mit ihren Fragen im Kontext von Open Source, an das Open Source Kompetenzzentrum wenden und erhalten umfassende Beratung und Unterstützung – bspw. zu Einsatzmöglichkeiten, Lizenzen und Compliance. Ergänzend wird auf die Ausführungen in Drs. 19/2136 verwiesen.
Hinsichtlich eines rechtssicheren Open-Source-Vorbehalts für alle Ausschreibungen und Vergaben wird auf die Ausführungen in Drs. 19/1380 verwiesen. Entsprechend liegen landesweit einheitliche oder verbindliche Kriterien, um Open-Source-Lösungen systematisch zu priorisieren, ebenso wenig vor, wie eine darauf aufbauende, zentral durchgeführte Analyse eventuell vorliegender Gründe für die Nicht-Beschaffung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, in einer Ausschreibung neben dem Preis auch andere Auswahlkriterien mit in die Bewertung eines Angebotes einzubeziehen. So können öffentliche Auftraggeber nach § 128 Abs. 2 GWB auftragsbezogene Ausführungsbedingungen festlegen, welche insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange umfassen können.