Was bedeutet „Zero Waste“ – und wie geht das eigentlich?
Beim Kaulsdorfer Stadtteilgespräch im März stellten wir uns der Frage „Wie „Zero Waste“ können wir leben?“ Gast des Abends war Georg Kössler (MdA), Sprecher für Klima- und Umweltschutz der Grünen Fraktion und Maya Richter, Mitglied der Grünen Jugend Ost.
Als Einstieg berichtete Maya Richter über ihren trinationalen Schüleraustausch zum Thema Abfallvermeidung aus dem Schuljahr 2017/2018. Dabei trafen sich Schüler*innen der Best-Sabel-Oberschule in Köpenick im Zeitraum mehrerer Monate mit Schüler*innen aus Frankreich und Marokko, um gemeinsam bestehende und zukünftige Abfallvermeidungskonzepte der einzelnen Städte bzw. Länder kennen zu lernen und zu diskutieren. In der marrokanischen Stadt Tanger werde nur ein sehr geringer Prozentsatz des gesamten Hausmülls überhaupt getrennt und als Wertstoff weiter verwertet. Alles andere lande auf der Mülldeponie. Der Stadt fehle es zudem an finanziellen Mitteln, um ein tragfähiges Abfallbewirtschaftungssystem umzusetzen.
Auch in Frankreich werden derzeit Abfälle überwiegend in Müllverbrennungsanlagen und Deponien gebracht. In der Nähe der Stadt Cassis haben die Schüler*innen eine von sechs landesweiten Biogasanlagen besichtigt, welche auf Basis von Restmülldeponien aufgebaut werden. Durch ansteigende Methangase werden Turbinen angetrieben und zur Stromgewinnung genutzt. Wertstoffhöfe dagegen sind selten, sollen aber zukünftig ebenso ausgebaut werden, berichtete der Bürgermeister von Cassis. In Berlin besuchte die Austauschgruppe gemeinsam das ALBA Werk in Mahlsdorf und ließ sich hier Möglichkeiten und Probleme moderner Recyclinganlagen und der gesammelten Wertstoffe erklären. Aber auch hier gibt es noch einiges zu verbessern, so der Eindruck nach diesem Bericht, selbst wenn im Vergleich in Deutschland anscheinend weniger Müll in der Müllverbrennungsanlagen landet. Wie gut sind wir in Deutschland eigentlich wirklich im Recyclen von Wertstoffen und wie ressourcenschonend ist unser Umgang damit? Wie lässt sich zukünftig noch mehr Müll vermeiden und welche Beiträge können wir als Einzelne dazu leisten?
Dazu erklärte uns Georg Kössler den Status quo in unserer Stadt und was das Leitbild „Zero Waste“, dass unter der rot-rot-grünen Regierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, eigentlich genau bedeutet. Derzeit entstehen jährlich ca. 800.000 Tonnen Restmüll pro Jahr in Berlin, das entspricht einer Menge von ca. 453 kg/J pro Haushalt. Der zweitgrößte Anteil des Mülls besteht aus Altpapier mit 170.000 t, aber auch die Verpackungen machen ca. 90.000 t pro Jahr aus. Davon landen derzeit 73 % des Hausmülls in der Müllverbrennung, hauptsächlich im Müllheizkraftwerk Ruhleben, und werden damit nicht recycelt, sondern nur energetisch verwertet.
Zugleich gilt es den CO2 Ausstoß insgesamt deutlich zu reduzieren; eine neue Abfallbewirtschaftung könnte bis zu 1 Million CO2 in Berlin einsparen. Strom aus Müll ist nicht sauberer, im Sinne der Emissionsfaktoren. Langfristig müsse es daher das Ziel sein, aus der Müllverbrennung aussteigen zu können. Daher ist es ein Anliegen trotz steigender Müllbelastungen, den Bau einer weiteren Müllverbrennungsanlage für Berlin zu verhindern. Stattdessen wird an Konzepten der Müllvermeidung und des effektiveren Recyclings gearbeitet. Die Berliner Abfallwirtschaft soll in den nächsten Jahren zu einer modernen Kreislaufwirtschaft umgebaut werden, da hier derzeit viel Potential verloren geht. So besteht der Hausmüll/bzw. Restmüll zu 40 % aus organischen Abfällen, zu 10 % aus Papier sowie zu 8 % aus Kunststoffen. Diese Anteile der recycelbaren Wertstoffe des Hausmülls gilt es daher deutlich zu reduzieren und stattdessen wieder zu verwerten. Dazu zählt zum Beispiel die flächendeckende Einführung der Biotonne. Deren Nutzung muss durch Aufklärung und Kampagnen attraktiver für Bürger*innen gemacht werden.
Insgesamt braucht es jedoch Änderungen und ein Umdenken in der Gesellschaft. Das Leitbild des „Zero Waste“ macht dazu deutlich, was jeder Einzelne dazu beitragen kann. Die sechs R‘s beschreiben im Englischen sehr treffend, was sie bedeuten:
Refuse = Ablehnung
Reduce = Reduzierung
Reuse = Wiederverwendung
Repair = Reparatur
Recycle = Wiederverwertung
Re-Think = Umdenken
Dazu gibt es bereits viele gute Initiativen in der Stadt. So steht REFUSE für die Entscheidung des Konsumenten, ressourcenverschwendende Produkte einfach nicht zu kaufen bzw. abzulehnen. Zum Beispiel landen derzeit in Berlin pro Jahr rund 170 Millionen Einwegbecher in den Mülltonnen. Auf Antrag der Rot-Rot-Grünen-Koaliation wird nun mit Handels- und Umweltverbänden die Einführung eines Mehrwegbechersystems für ganz Berlin verhandelt. In einem Pilotprojekt nutzen dies derzeit bereits rund 100 Berliner Cafes. Zudem sollen die Becher zukünftig aus langlebigem Bambus hergestellt und durch eine Preisreduktion attraktiver werden. Für die Kampagne der Mehrwegbecher stehen in den nächsen 2 Jahren 200.000 Euro zur Verfügung.
REDUCE steht für eine Müllvermeidung. Ein gute Möglichkeit besteht zum Beispiel darin Verpackungen beim Lebensmittelkauf zu vermeiden. So bietet der Unverpackt Laden in Kreuzberg die Möglichkeit, Lebensmittel selber abzufüllen. Auch können Plastiktüten durch Papiertüten in vielen Supermärkten ersetzt werden oder man benutzt eigene (Stoff)-Taschen für den Einkauf.
Unter REUSE sind Sozialkaufhäuser und andere Initiativen zu verstehen, die noch Verwertbares wieder zu neuen Verwendungen zuführen oder sammeln und zum Weiterverkauf anbieten. In Berlin werden zum Beispiel bei Kunst-Stoffe Berlin nicht mehr benötigte Materialien wie Holz, Stoffe, Farben oder vieles mehr angeboten.
Nicht mehr gebrauchte Materialien können dort sowohl gespendet werden und von z.B. Künstler*innen für wenig Geld erworben werden, was auch von vielen Kitas, Schulen, Bühnen und anderen genutzt wird. Daraus entsteht wieder viel Neues und Kreatives.
Die REPAIR Cafes in Berlin kennen viele. Die meisten dieser Initiativen haben jedoch Schwierigkeiten die Mieten für ihre Räumlichkeiten zahlen zu können. Diese sollten daher ebenso wie Sozialkaufhäuser mehr Unterstützung erfahren. Beispielsweise könnte öffentlicher Raum für Sozialkaufhäuser zu günstigeren Mieten zur Verfügung gestellt werden, so Stefan Ziller.
Repaircafes haben zudem große Bedeutung als soziale Standorte und sollten ebenso wie weitere Kiezinitiativen mehr unterstützt werden. Generell sollen diese Kiezinitiativen besser vernetzt und bekannter gemacht werden. Denn vielen fehle es auch an Mitgliedern, so Kössler. Auch soll sich zukünftig die BSR öffnen und Bürgerfreundlicher werden, so Georg Kössler. In Kooperation mit der BSR soll ein Modellprojekt entstehen, in dem noch Funktionsfähiges (Möbel etc.) aufgearbeitet und in einem großen Berliner Sozialkaufhaus wieder verkauft werden kann.
Zum RECYCLE gilt es in Berlin besonders den Biomüll wieder attraktiver zu machen. Mit der Aktion Biotonne soll die Sammlung von Biomüll ausgeweitet werden. Eine zweite Biogasanlage für Berlin soll es ermöglichen, dass Rohstoffe aus dem Biomüll genutzt werden können, so Georg Kössler. RETHINK bedeutet letztlich zu überdenken: Was brauche ich wirklich und was brauche ich nicht?
Insgesamt gilt es Strukturen die Müll vermeiden zu fördern und deren Zugang zu erleichtern. Die Initiative FoodSharing bietet seit längerem die Möglichkeit nicht mehr benötigte Lebensmittel an andere weiterzugeben, statt diese wegzuwerfen. Oder Trinkbrunnensysteme, die in der Stadt entstehen sollen und bereits seit letzten Sommer in der Nutzung getestet werden. Aber auch hier zählen viele Initiativen und Kampagnen die ein Umdenken fördern und längere Nutzungskreisläufe unterstützen, wie die Kampagne „Refill“ zum Wiederauffüllen von Trinkwasser.
Insgesamt stehen in den nächsten zwei Jahren 1 Millionen Euro für die Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Denn es gilt den Menschen die Auswirkungen deutlich zu machen, zum Beispiel wieviel Geld sich mit Recyling einsparen lässt. Und es müssen Alternativen aufgezeigt werden z.B. weite Transportwege und Verbundstoffe beim Einkauf zu vermeiden. Auch in der anschließenden und anregenden Diskussion mit dem Publikum wurden viele Ideen und Ansätze, die jeder alltäglich umsetzen kann diskutiert. Und auch wir wollen im Bezirk zukünftig mehr über Plastikmüll und Recycling aufklären und werden dazu im Gespräch bleiben.